Orte

Wo die gelben Westen wachsen

Die Häuser verlassen und heruntergekommen.
Neun von zehn Geschäften geschlossen.
Das zehnte Geschäft ist ein Gemischtwarenläden,
den man hier ‚Superette‘ nennt,
betrieben von einem Nordafrikaner.
Die Einzigen, die hier nämlich noch wohnen,
in kleinen, dunklen, schmutzigen Löchern,
das sind Immigranten,
oder deren Nachfahren.
Menschen mit afrikanischem oder nordafrikanischen Vorfahren.
Auch ein paar Südamerikaner.
Die meisten von ihnen arm und frustriert.

Manchmal schlendere ich durch die Gassen von Beaucaire und stelle mir die Vergangenheit vor …
Dazu lasse ich Leben in die Wohnungen einziehen,
stoße die Fensterläden auf, eröffne geschlossene Geschäfte und Handwerksbetriebe von neuem, renoviere und pflege Häuser und Plätze.
Dann sehe ich ein belebtes Städtchen, mit 1000jähriger Geschichte,
und freue mich an dem bunten Treiben.

Doch jene Illusion zerplatzt an der nächsten Ecke.

Das Beaucaire der Gegenwart gleicht einer Geisterstadt, in deren Ruinen Menschen hausen, die nichts von seiner Geschichte verstehen.

Wie es dazu kommen konnte, das weiß ich nicht, doch ich kann es mir vorstellen …

Eingekauft wird heute mit dem Auto, einige Kilometer vom historischen Ortskern, in einem gewaltigen Einkaufszentrum.
Und ein Auto braucht man natürlich auch für die tägliche Fahrt zur Arbeit.
Und so ein Auto ist unpraktisch in den engen Gassen der Altstadt.
(„Wo zum Teufel soll man es abstellen?“)

Das waren bestimmt zwei der Druckkräfte, die für den heutigen Zustand von Beaucaire verantwortlich sind.

  1. Die Abwanderung von Familien, die sich ein Haus mit Parkplatz und Garten kaufen oder mieten wollten.
  2. Die Zerstörung von Handel und Handwerk durch den Einkaufstempel vor den Toren der Stadt.

Danach zogen Migranten und arme Menschen in die verwaisten Wohnungen des Zentrums und brachten ihre fremdartige Kultur mit sich, was zu einer weiteren Abwanderung der Mittel- und Oberschicht beitrug.

In Beaucaire befindet sich heut das Slum im historischen Zentrum (und nicht wie anderswo in den Vororten), umgeben von einem Speckgürtel mit kleinen und größeren Häuschen für die Mittel -und Oberschicht.

Wer heute Südfrankreich besucht, wird überall Anzeichen einer kollektiven Depression und eines unaufhaltsamen Niedergangs wahrnehmen. Man fühlt es überall: Ein einzelner Funke genügt hier, um eine Pulverfass zu entzünden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert